«Bürohünd sind Fründ»

07.01.2024

Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer bringen ihre Hunde mit ins Büro oder an ihren sonstigen Arbeitsplatz: eine Praxis, die es schon vor der Pandemie in gewissem Umfang gab, die aber jetzt durch die neuen Arbeitsmethoden gefördert wird. Die Besitzer sind begeistert, aber es gibt auch welche, die das gar nicht gut finden...

Covid hat vieles verändert, auch die Dichte der Hunde in der Schweiz. Ihre Zahl ist in den letzten zwei Jahren stark angestiegen: Anfang 2019 gab es 511.000 Tiere, im September dieses Jahres 554.000 (+8%). Eine Umfrage, die die Schweizer Tochtergesellschaft des Lebensmittelriesen Mars im vergangenen Mai durchgeführt hat, ergab, dass neun von zehn Schweizern Haustiere lieben und 65% sie sogar gerne ins Büro mitnehmen würden. Aber nur bei drei von zehn Befragten erlaubt ihr Arbeitgeber dies.

In letzterer Hinsicht ändert sich jedoch etwas: Da in vielen Berufen inzwischen oft von zu Hause aus gearbeitet wird - und der Hund daher nicht jeden Tag im Büro anwesend ist - gehen die Unternehmen laut einer Untersuchung von Blick entspannter mit dem Thema um.

Oliver Weber, Hundetrainer aus Basel-Landschaft, sieht sogar einen Trend entstehen: Denn zahlreiche Studien bestätigen, dass Hunde einen positiven Effekt auf das Arbeitsumfeld haben. Sie bauen Stress ab, fördern die Kommunikation und die Produktivität und bringen die Beschäftigten mehr in Bewegung. Nestlé Schweiz zum Beispiel hat den neuen Trend erkannt und lässt Hunde zu. Das gilt auch für Google, wo die Hunde "Doogler" genannt werden (von "dog" und "Google"). Die Nutzer sagen, dass die Tiere eine entspannte Atmosphäre schaffen und für ein paar Lacher sorgen.

Aber es braucht auch klare Regeln, meint Weber. Tatsächlich arbeitet der Experte auch mit Menschen, die Angst vor Hunden haben: Nach der Pandemie ist dieses Thema aktueller denn je, denn die Dichte der Vierbeiner hat zugenommen. Für Menschen mit sogenannter Hundephobie war das Büro bisher fast der letzte hundefreie Ort: Wenn die Tiere nun auch zwischen den Schreibtischen auftauchen, kann das für die Betroffenen sehr einschränkend sein.

Weber und sein Team beraten Unternehmen, die Hunde am Arbeitsplatz zulassen wollen. Der Fachmann ist überzeugt, dass das Thema in Zukunft immer wichtiger werden wird.

Um die Dynamik am Arbeitsplatz zu veranschaulichen, nennt die Zürcher Zeitung das Beispiel einer 40-jährigen Frau, die seit zehn Jahren den Wunsch hatte, einen Hund zu haben, ihn aber nicht erfüllen konnte. "Wie könnte ich das tun? Ich lebe in der Stadt, bin allein und arbeite 100 Prozent". Dann kam das Coronavirus und bei Nestlé, wo sie seit 20 Jahren beschäftigt ist, ergab sich die Möglichkeit, halbtags von zu Hause aus zu arbeiten. Die Zeit war reif, sagt die Produktmanagerin. Und das Tier folgte ihr ins Büro: Am Hauptsitz des multinationalen Unternehmens in Vevey sind Hunde in den Gebäuden 7 und 8 erlaubt, in denen sich die Mitarbeiter der Tiernahrungsmarke Purina befinden.

Zwölf Mitarbeiter bringen regelmäßig ihre Haustiere mit. Um sicherzustellen, dass dies in einem so großen Unternehmen funktioniert, wurde 2016 ein spezielles Programm eingeführt. Hundefreundliche" Aufkleber an Türen und Aufzügen zeigen an, wo Hunde erlaubt sind, damit jeder Mitarbeiter weiß, wo er einen Hund treffen kann. Es hat noch nie ein Problem gegeben, sagt Magali Clavel von Purina Schweiz gegenüber der Zeitung. Sie ist der Meinung, dass Tiere das Arbeitsklima verbessern: Selbst Menschen, die kein Haustier besitzen, kommen ins Büro, um Stress und Anspannung abzubauen.

Die Zeitung schildert auch den Fall eines Friseurs, der eine kontinentale Bulldogge in seinem Geschäft im Zentrum von Aarau hält: Der Hund begrüßt die Besucher und bekommt ein paar Streicheleinheiten, legt sich dann aber ruhig hin. Das Tier ist ein zentrales Element des Geschäfts, es ist immer dabei, sagt der Angestellte. "Wie ein Friseur", fügt der 33-Jährige hinzu. Die Bulldogge ist bei ihm, seit er ein Welpe war. "Ich will ihn nicht allein in der Wohnung lassen: Die Bulldogge ist eine Hunderasse, die mit Menschen zusammen sein will", sagt sein Besitzer. Und schon während seiner Ausbildung hatte es der Mann geschafft, seine erste kontinentale Bulldogge ins Wohnzimmer zu bringen: Damals legte er sich hinten im Büro unter den Schreibtisch des Chefs. Seiner Meinung nach muss man sich jedoch genau überlegen, welche Hunderasse man wählt, denn nicht alle Tiere - der Befragte denkt an einen Schäferhund - fühlen sich in einem Geschäft wohl.

Das dritte Beispiel, das die Situation veranschaulicht, ist das einer 50-jährigen Frau, die am Empfang von Rontech, einem Verpackungsmaschinenunternehmen in Felsberg (GR), arbeitet und ihren Hund unter ihrem Schreibtisch hält. Die Mitarbeiterin durfte bereits ihren ersten Vierbeiner mit ins Büro bringen. 'Auf diese Weise bin ich viel flexibler', sagt sie. Vor der Bürotür fließt der Rhein, so dass ein Spaziergang in der Mittagspause den beiden gut tut; oft wird das Duo von einem Kollegen begleitet. Die meisten Mitarbeiter wissen die Situation zu schätzen. Ich habe noch nie eine schlechte Erfahrung gemacht", sagt die Vorgesetzte der 50-Jährigen, die ihrerseits Hunde unter ihrem Schreibtisch hat. Ihre Anwesenheit wird bei Vorstellungsgesprächen sofort erwähnt: Eine allergische Person würde nicht berücksichtigt werden.

Das Thema sorgte für eine Debatte in der Blick-Redaktion selbst, die deshalb zwei Journalisten zu Wort kommen ließ, eine Frau (für Hunde) und einen Mann (dagegen). Für erstere sind Tiere nur gut für die Umwelt und solange jemand keine besonderen Ängste hat, gibt es kein Problem. 'Bürohünd sind Fründ', heißt es im schweizerdeutschen Dialekt.

Für Letzteren hingegen sind 'Hunde im Büro wie laute Fürze in der Öffentlichkeit: Man tut sie nicht, sie sind nur in Einzelfällen vertretbar'. Seiner Meinung nach ist die Sache ganz einfach: Es gibt Dinge, die man an öffentlichen Orten nicht tut, weil sie andere stören könnten. Das Zusammenleben funktioniert nur, wenn wir private Dinge aus Respekt vor anderen privat halten und wenn wir uns bewusst sind, dass ein Büro keine Erweiterung des Wohnzimmers ist, sondern ein Ort, an dem verschiedene Menschen zusammenarbeiten", schließt er ab.